Weiberwirtschaft – wirtschaften von und mit Frauen

Weiberwirtschaft – wirtschaften von und mit Frauen

Der Arbeitsbegriff und die Bedeutung von Wirtschaft und Ökonomie im Allgemeinen und die Bedeutung in meinem ganz persönlichen Handlungsfeld

 

Herzlichen Dank an Theresia Ostermann für diesen Gastbeitrag

 

Was bedeutet Wirtschaft eigentlich?

Auf Wikipedia habe ich folgende Definition gefunden:

„Wirtschaft oder Ökonomie ist die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse dienen. Zu den wirtschaftlichen Einrichtungen gehören Unternehmen, private und öffentliche Haushalte, zu den Handlungen des Wirtschaftens Herstellung, Absatz, Tausch, Konsum, Umlauf, Verteilung und Recycling/Entsorgung von Gütern. Solche Zusammenhänge bestehen zum Beispiel auf welt-, volks-, stadt-, betriebs- und hauswirtschaftlicher Ebene.“

Eine sehr umfassende Definition. Ich möchte hier den Aspekt der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse herausgreifen, denn diese Aussage bezweifle ich bei der derzeitigen Wirtschaft. Ich habe eher das Gefühl, die Bedürfnisse werden geweckt und vermehrt und ein künstlicher Mangel erzeugt. Also keine Rede von einer planvollen Befriedigung!

 

Zum Vergleich habe ich den Duden - Das Fremdwörterbuch (2005), zur Hand genommen und bin auf folgende Definition von Ökonomie gestoßen:

 

Ökonomie
1. a) Wirtschaftswissenschaften; b) Wirtschaft; (ohne Plural) Wirtschaftlichkeit, sparsames Umgehen mit etwas, rationelle Verwendung oder Einsatz von etwas.
2. (veralte
t) Landwirtschaft[sbetrieb]

Ökonom
(gr.-lat.:“Haushalter, Verwalter“): (veraltend)
a) Landwirt, Verwalter [landwirtschaftlicher Güter];
b) Wirtschaftswissenschaftler

Ökonomin weibliche Form zu Ökonom“

 

Daraus lese ich zwei Dinge: Das sparsame Umgehen mit etwas könnten wir für unsere Wirtschaft gut gebrauchen. Das sparsame Umgehen mit Ressourcen wäre demnach schon im Wort Ökonomie enthalten und sollte in unseren Gesellschaftssystemen zu einem erklärten Ziel formuliert werden. Die derzeitige Wirtschaft ist eher auf Verbrauch, um nicht zu sagen Verschwendung und Ausbeutung, ausgerichtet. Der zweite Aspekt, den ich äußerst interessant finde und ab jetzt auch verwenden werde ist, dass die Bezeichnung Ökonomin früher für eine Haushälterin, Verwalterin, Landwirtin bzw. Bäuerin stand.

 

Das könnten wir ja wieder beleben und uns als Ökonominnen bezeichnen.

Das Wirtschaften wurde in früheren Zeiten einzig und allein der Landwirtschaft zugesprochen und bedeutete, dass Lebensmittel erzeugt wurden und in einem Haushalt und einem Kreislauf gewirtschaftet wurde. Durch die Arbeitsteilung entwickelten sich viele verschiedene Berufe, die in einem großen Ganzen zusammenspielen. „Wirtschaften ist von und für die Menschen gemacht und soll den Bedarf an Dienstleistungen und Gütern decken.“ (Quelle: Eine neue Wirtschaft – zurück zum Sinn; Gutmann/Rogner/Zotter 2020, Seite 13)

 

Das große Ziel soll ein gutes Zusammenspiel aller in der Wirtschaft Beteiligten sein.

 

Wie wirtschafte ich in meinem persönlichen Kontext?

 

Als Ökonomin arbeite ich auf einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb mit ca. 15 Ziegen und einem großen Gemüsegarten zur Selbstversorgung. Unsere Wirtschaftsweise ist eine, so gut es geht, Kreislaufwirtschaft mit den Schwerpunkten Humuswirtschaft zum Bodenaufbau und Ressourcenschonung durch Wiederverwertung/Upcycling.
Wir vermarkten nicht, wir verkaufen nur unseren Überschuss. Was übrig bleibt, ist immer unterschiedlich und im Vorhinein schwierig zu planen. Wir verkaufen viel auf Tauschbasis, also wir tauschen. Dieses Netzwerk muss aufgebaut werden und auch funktionieren. Dafür gibt es ein paar wichtige Grundsätze.

 

Grundsätze eines Netzwerks für Tauschgeschäfte

 

  • Austausch – Die Abholung oder Zustellung und der Zeitpunkt müssen festgelegt und von den einzelnen Tauschteilnehmerinnen akzeptiert und eingehalten werden.
  • Wertigkeit – ein Tauschwert muss festgelegt und anerkannt werden.
  • Flexibilität – die Tauschteilnehmerinnen müssen so flexibel sein, um auch größere Mengen abzunehmen, wenn diese anfallen.
  • Wissen und Können – die Tauschteilnehmerinnen müssen über die Möglichkeiten der Lagerung und Verarbeitung Bescheid wissen und über die Fertigkeiten der Verarbeitung verfügen.

 

Dieser Aufbau des Netzwerkes ist ganz selbstverständlich meine Sache, Frauensache – Weiberwirtschaft. Ich nehme mich dieser Aufgaben an und nutze dazu auch den Kreis meiner Freundinnen.  Zum größten Teil werden diese Überschussgüter auch an Frauen weiterverteilt und getauscht. Werden sie getauscht, ist das unbezahlte Arbeit – das heißt es kommt damit kein Geld herein.

Dieser Austausch oder diese Arbeit passiert auch oft so nebenbei, wird wenig wahrgenommen und nicht als Teil der Landwirtschaft – Ökonomie gesehen. Ich bin mit dieser Arbeit auch nicht im Pensionssystem angemeldet. Mit dem direkten Tausch von Produkten und Dienstleistungen sparen wir Plastik und Verpackungsmaterial, verwenden Mehrwegverpackung und vermeiden lange Transportwege und somit in weiterer Folge CO2. Wir bekommen dafür keinen Staatspreis, es ist für uns eine Selbstverständlichkeit und Normalität.

Noch ein Wort zu den Grundsätzen der Tauschwirtschaft, insbesondere der Wertigkeit. Dieser Punkt ist ein schwieriges Thema. Die Orientierung am Marktwert bildet keine Kostenwahrheit unserer Produktionsweise ab. Verlangen wir jedoch den Preis unserer wahren Kosten, scheint er oft überhöht und die Tauscherinnen sind nicht immer bereit diesen Wert anzuerkennen.

Ein Ziel von mir wäre, meine Arbeitsstunde zu tauschen, aber das ist oft im Produkt schwer abbildbar, zum Beispiel meine Arbeitsstunde im Garten. Hier stelle ich mir die Fragen: Warum sind die Unterschiede so groß? und Warum lassen wir das als Gesellschaft zu? Wie viele Ziegenkäse muss ich verkaufen, um mir eine Jeans zu kaufen? Wie viele Karotten, Kartoffeln, Zucchini, Bohnen muss ich ernten, damit ich mir eine Stunde Massage leisten kann?

Diese Vergleiche zeigen den Spagat zwischen Kostenwahrheit und Marktwert unserer Produkte. Ich treffe bei diesen Tauschgeschäften unter anderem auf sehr verständnisvolle Tauscherinnen.

Aber wie gesagt es ist immer ein Spagat.

Auswege aus dieser Situation

Eine Möglichkeit ist es, die wahren Kosten der Produkte immer wieder aufzuzeigen und dadurch Bewusstseinsbildung zu machen.

Einen Lösungsvorschlag habe ich im Buch „Die-Vier-in-einem-Perspektive“ von Frigga Haug gefunden.

Sie schlägt vor, den Arbeitsbegriff neu zu definieren und teilt die Arbeiten in vier Bereiche ein:

  • Erwerbsarbeit,
  • Reproduktionsarbeit,
  • Arbeit an der eigenen Entwicklung und
  • politische Arbeit.

Sie alle sollen gleichwertig sein und den Arbeitsalltag zu gleichen Teilen ausfüllen. Aus der beschriebenen Situation heraus sehe ich es als einen wichtigen Punkt, die politische Arbeit zu forcieren und folge Frigga Haugs, dass wir uns wieder einmischen und unsere Änderungsvorschläge einbringen müssen, um zu verhindern, dass wir die Folgen der Politik, die andere für uns machen, ausbaden müssen. (vgl. Frigga Haug: Vier-in-einem-Perspektive, 2008)

 

Meine Forderungen

  • Wirtschaft/Ökonomie muss zu einer planvollen Befriedigung der Bedürfnisse beitragen!
  • In der Wirtschaft/Ökonomie muss ein sparsamer Umgang mit Ressourcen an oberster Stelle stehen!
  • Wirtschaft/Ökonomie muss von und für die Menschen gemacht werden!
  • Alle unterschiedlichen Tätigkeiten in den vielfältigen Bereichen und von den verschiedenen Menschengruppen durchgeführt sollen den gleichen Stellenwert bekommen!

 

Theresia Ostermann
Ökonomin im Bregenzerwald

 

Der Artikel ist auch in der Zeitschrift der ÖBV-Via Campesina Austria, Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung erschienen.

 

 

Sehenswert

Ein sehr gutes informatives Video findest du auch hier auf Youtube. Gastgeber ist das "Hinterzimmer" und zu Gast ist Christian Bachler zum Thema "Es lohnt sich, nicht zu kuschen"